
Volker Henze hat sich als Maler vor allem dem großen Thema der ungegenständlichen Farbkompositionen gewidmet, was ihn nicht von gelegentlichen Ausflügen in die realistische Malerei, in jüngster Zeit in die Porträtkunst, abgehalten hat.
Es gibt in seiner Person und seinen Werken einen spielerischen Zug, der ihn vor jedem Stillstand bewahrt und ihn beständig auf die Suche schickt, etwas Neues auszuprobieren. Atelierbesuche werden auf
diese Weise zu überraschenden Erkundungsgängen, die den Gast oftmals an einem gerade begonnenen Experimentierfeld teilhaben lassen. Während seine abstrakte Malerei zu einer homogenen Bildsprache gefunden hat, die seine Handschrift ausmacht und Experimente nur begrenzt zulässt, sind seine
Collagen und Assemblagen die eigentlichen Probebühnen seines artistischen Charakters. Hier übt sich
der in Henze verborgene freudige Spieler und Material-Jongleur auf eher ungewohntem Felde. Seine
Augen wandern beiläufig aber beständig über die am Rande liegenden Schutthaufen unserer Zivilisation
und retten hier und da ein seltsames Stück, um es der Kunst zuzuführen.
Seine Transformationen haben aber wenig mit Abfallkunst zu tun. Er will nicht die Tristesse des Alltags,
sondern im Gegenteil, er feiert die ästhetische Wiedergeburt der verworfenen Dinge, wie etwa in den als
Skulpturen aufgestellten Beton-Eisenverbindungen im großen Raum der Galerie.
Aus seiner in der Malerei erprobten Farbsensibilität ist ihm das Sehen ästhetischer Möglichkeiten von
realen Konstellationen und vor allem von deren bildwürdigen Formen zugewachsen.
Das Spiel von gerissenen und nach oben geklappten verschiedenfarbig gefassten Papieren, deren Form
mit nur wenigen Korrekturen im Zufälligen belassen wird, wiederholt er in vielen Varianten, von denen
der Block im ersten Raum der Galerie einige Beispiele zeigt. Wie Henze diese Papiere auf der Fläche
ordnet, korrespondiert mit der Sprache seiner Malerei, die er in seinen Fundstücken lediglich wiederentdeckt.
Sein nahezu quadratischer Objektkasten mit dem eingelegten blauroten Papier, das sich von oben nach
unten zu legen und in den Rissen zu öffnen scheint, wirkt von Ferne wie eine feine Malerei. Die wirklichen Schatten und Tiefen aber, die dieses Relief auszeichnen, übersteigen jeden malerischen Versuch.
Sie leben aus ihrer realen Plastizität und bilden ein zauberhaftes Stück zeitgenössischer Collagekunst.
Eine starke innere Spannung haben auch die in jüngster Zeit häufiger zu sehenden Verbindungen von
Malerei und aufmontiertem Material, wie in dem großformatigen Bild mit gestisch geordneten blauen
Farbfeldern, über die eine monochrome gelbe Fläche zu schweben scheint. Die Schrägstellung der Unterfläche und der senkrecht stehende Karton erzeugen eine seltsame Bewegung als würde die gelbe
Fläche langsam über ihren Grund nach rechts hinwegziehen. In diese kombinatorischen Techniken gehören auch die Arbeiten, die überraschenderweise bewegte Bilder mit unbewegten Oberflächen zu einem Bild vereinen. Das vertikal gestellt Bild einer tropfenden Dachkante ist mit einer grünen Farbfläche
in einer Weise verbunden, welche die Illusion hervorruft, grüne Partikel würden durch eine geheimnisvolle Kraft aus der Fläche herausgerissen. Diese einfache, verfremdete Bewegung erzeugt eine Bildwirkung, von deren Dynamik sich der Betrachter kaum zu lösen vermag. Diese Verbindung von stillstehenden Oberflächen - Henze nutzt unterschiedliche Materialien - und digitalen Filmbildern ist eine viel
versprechende Neuerung seiner Kombinationsbilder.
Neu in dieser Ausstellung sind auch seine kleineren gleichformatigen Objektkästen. Sie changieren auf eine erregende Weise zwischen Relief und Assemblage und setzen eine Tradition fort, die Joseph
Beuys treffend plastische Bilder nannte. Das auf blauem Grund montierte Materialstück beispielsweise
ist umstellt von den eingerollten Papierröhren einfacher Faschingsinstrumente, deren Mundstücke aus
dem Kasten ragen. Der Betrachter assoziiert leicht die Bewegung, die er durch Einblasen hervorrufen
könnte und ist erstaunt, dass dieses vergnügliche Vorhaben eine Aggression gegen das Mittelstück erzeugt. Henze nennt diese Arbeit denn auch in der Logik dieser Bewegung seine „Verspottung Christi“.
Die Ausstellung lässt dem Auge die Entdeckerfreude und die Vielfalt der Erkundungen, macht sie zu einer erfrischenden Raumlandschaft mit unterschiedlichen Stationen ästhetischer Erfahrung.

Als wir den ersten Besuch im Atelier von Volker Henze machten, blieb ein Gefühl von Unruhe gegenüber seinen Bildern. Denn sie scheinen - obwohl schon vor Monaten abgeschlossen, fließend in Bewegung, Veränderung zu sein. Diese Bewegung meint einfach nur die besondere Balance, die Henzes Kunst so einzigartig macht. Weil der Künstler es wieder und wieder schafft, sie zu verlassen, so lange sie noch lebendig sind. Dieses Leben auf dem Bildgrund darf nicht angehalten werden. Und Volker Henzes Bilder leben. Ihre Magie ist fühlbar. Fast könnte man glauben, an ihrem Entstehungsprozess teilzuhaben.
In seiner Kurzbiografie hat der Künstler unter dem Stichwort Projekte vermerkt, dass er in diesem Jahr einen Auftrag von allerhöchster Stelle vollendet hat: Eine Galerie sämtlicher Bundespräsidenten für das Schloss Bellevue. Und möglicherweise wird deren Eröffnung noch in die Zeit unserer Ausstellung von Henzes Arbeiten fallen. Größerer Kontrast ist kaum denkbar. Ich kann nur allen Kunstfreunden wünschen, diese so gegensätzlichen - oder vielleicht auch nur scheinbar gegensätzlichen - Ausdrucksweisen des Künstlers kennen zu lernen.
Und eine wieder andere Dimension öffnet sich in der jetzt ebenfalls laufenden Ausstellung Henzes im Haus Rheinsberg, in der überwiegend abstrakte Collagen zeigt.
In Rheinsberg wie auch hier in dieser Ausstellung geht es um Abstraktion aber auch immer um Wirklichkeit. Was Henze malt oder montiert, hat er gesehen, gefunden, erfahren, erdacht. Er nimmt es einfach aus der Wirklichkeit heraus. Uns, seinem Publikum, bleibt, diesen Bildern eines freien Geistes einen freien Platz in unserem Leben einzuräumen.